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Denkmalpflege des Kantons Bern
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Ein eigenwilliger Bau aus den 1930er Jahren konnte dank fortschrittlicher Glastechnologie in seiner Substanz gerettet werden.
Allmendingen. Bergliweg 11.
Restaurierung und Umbau: 2010-2011
Bauherrschaft: Cornelius Egger
Architekten: Hauswirth Keller Branzanti, Zürich; Stefan Hauswirth
Restaurierung Fassaden und Innenräume inkl. Farbsondierungen: Blonski Art Restaurationen, Zollikofen
Bauberatung Denkmalpflege: Rolf Weber
Unterschutzstellung: 2010
Beiträge: Kanton (Lotteriefonds/Polizei- und Militärdirektion)
Literatur: Schweizer Architekturführer 1920–1990, 1991, Bd. 2, Nr. 401. Graf, Urs. Spuren der Moderne im Kanton Bern. Bern 1987. Villa Caldwell (Haus Golowin) in Allmendingen. In: Berner Heimatschutz, Regionalgruppe Bern-Mittelland. Mitteilungsblatt 1998.
Die Villa Caldwell wurde 1934/35 an einer Hangkante südlich von Allmendingen erbaut. Otto Voepel aus Weimar, Direktor der staatlichen Bauschule in Gotha, hatte das Projekt für Agnes Welti und ihren späteren Ehemann John Caldwell ausgearbeitet. Das Paar lernte Voepel wohl während des Studiums in Göttingen kennen. Voepels Lehrmeinung zeigte einen traditionelleren Ansatz, als dies beim Bauhaus im nahen Weimar der Fall war. Dies zeigt schon der Titel des Büchleins «Goethe und die Begründung der Bauschule», das er 1925 herausgab.
Trotz des scharf geschnittenen, weissen Volumens basiert die Villa Caldwell nicht allein auf Grundsätzen des «Neuen Bauens». Elemente wie Stützen und freien Grundriss, die Le Corbusier proklamierte, gibt es hier nicht. Die Villa unterscheidet sich auch von Bautenvon Schweizer Architekten, die sich der Moderne verschrieben. Die treppenförmigen Seitenfassaden hingegen erinnern an Häuser des Wiener Architekten Adolf Loos: Die Villa Caldwell stand trotz des modernen Ausdrucks noch unter dem Einfluss der Reformbaukunst, die an die Erneuerung der bürgerlichen Wohnkultur glaubte. Besonders beim Innenausbau ist eine interessante Kombination von traditionellen und modernen Elementen zu erkennen: Cheminée und Kassettendecke in der Bibliothek stehen im Kontrast zur weiss gefassten Fensterbank des Esszimmers.
Die Raumdisposition hat ihre Wurzeln im grossbürgerlichen deutschen Landhaus: Vorfahrt, Eingang und Treppenhalle liegen hinter den repräsentativen Räumen auf der Aussichtsseite. Da der steile Hang einen vorgelagerten Garten ausschloss, schuf Voepel eine Serie von Terrassen. Kühne Eckverglasungen lenken den Blick in die Weite wie auch auf die Terrassen.
Bis 2003 wechselte die Villa nur zweimal die Besitzer. Dabei blieb sie, abgesehen von der Ergänzung des Schornsteins zu einem Glockenturm und der Dekoration der Haustür mit Blumenmotiven, im Originalzustand erhalten. Das Umfeld veränderte sich jedoch: Die nahe Autobahn brachte starke Lärmimmissionen mit sich. 1997 plante der damalige Besitzer Sergius Golowin, der bekannte Schriftsteller und Mythenforscher, deshalb einen riesigen Wintergarten als Pufferzone. Das Projekt wurde nicht ausgeführt.
2003 kaufte ein Autoliebhaber die Villa. Er nahm den Lärm auf den Terrassen in Kauf, wünschte sich aber neue Schallschutzfenster. Für den Charakter der Villa sind jedoch gerade die grossflächigen, nach Süden gerichteten Fenster mit den originalen schmalen Stahl- und Messingprofilen entscheidend. Die Denkmalpflege setzte sich daher für den Erhalt der Haupträume inklusive der Fenster ein. Sie stützte sich auf ein Gutachten eines Experten der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege, das die Schutzwürdigkeit der Villa bestätigte. Die Herausforderung bestand einmal mehr darin, die Anforderungen der Bauherrschaft und der Denkmalpflege übereinzubringen.
Für die Restaurierung der Fenster wurde je nach Platzierung und Aussenwirkung nach unterschiedlichen Varianten gesucht. Rasche Lösungen fand das Architekturbüro Hauswirth Keller Branzanti, Zürich, für die Fenster in der Küche, im Bad sowie im Untergeschoss (einst mit Billardraum), sie wurden originalgetreu erneuert. Die Doppelfenster aus Holz auf der Nordseite des Hauses hingegen wurden innen mit Isolierglas aufgerüstet. Schwieriger wurde es – wie erwartet – bei den südseitigen Fenstern mit den Stahl- und Messingprofilen. Das Einsetzen eines herkömmlichen Isolierglases hätte zum Verlust der eleganten Profile geführt.
Bei der Suche nach einem passenden dünnen Isolierglas machten die Architekten in Asien eine wegweisende Entdeckung: In Japan wurde für Glasbauten ein spezielles Vakuumglas entwickelt, das nur 4 Millimeter dick ist. Dieses Glas konnte problemlos in die alten Fensterprofile eingebaut werden. Das Beispiel zeigt, dass moderne Technologien bei der Wahl der denkmalpflegerischen Massnahmen oftmals eine zentrale Rolle spielen – und damit zur Rettung von Baudenkmälern beitragen. Die Erhaltung der Profile und Beschläge kompensierte bei weitem die Transportkosten.
Auch das Dach wurde isoliert. Die Mauern hingegen erhielten einen neuen Kratzverputz, aber keine zusätzliche Isolationsschicht. Die Isolation ist deshalb zwar nicht optimal, eine Erdwärmeheizung minimiert jedoch den CO2-Ausstoss des Gebäudes.
Die Farbanalyse der Innenräume führte zu einem überraschenden Befund: Die repräsentativen Räume wiesen ursprünglich intensive Farben auf, während für die Sekundärräume etwas dezentere Farben verwendet worden waren. Für den neuen Besitzer waren alle Farben zu kräftig und so wählten die Architekten die originalen Farben in einer schwächeren Intensität. In den Räumen klingt nun in leichten Pastelltönen die ursprüngliche Farbigkeit nach. Als Kontrast dazu überraschen die Wandfliesen der neuen Badezimmer mit einem grellbunten «Pixel»-Spiel – ein Tribut ans 21. Jahrhundert. Robert Walker