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Bienenhaus in Oberösch

Ein Salon für die Bienen

Imkereigeschichte bleibt lebendig: In Oberösch wurde ein aussergewöhnliches Bienenhaus aus dem 19. Jahrhundert restauriert – samt den originalen Bienenkästen.

  • «Bienenheim» im Garten des herrschaftlichen Bauernhofs Grafenscheuren bei Burgdorf (Foto: Verena Gerber-Menz, 2009).
  • Bienenkästen, Täfer, Ätzglasscheiben: das restaurierte Interieur (Foto: Verena Gerber-Menz, 2009).

Technische Angaben zu Restaurierung

Oberösch. Schmittenacher 3E.
Gesamtrestaurierung: 2003
Bauherrschaft: Marianne Luder, Oberösch
Bauberatung Denkmalpflege: Hanspeter Ruch
Beiträge: Kanton (Erziehungsdirektion)
Unterschutzstellung: 2002                         

Ein Salon für die Bienen

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Bienenhäuser sind jung: Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurde Imkerei ausschliesslich mit Bienenkörben betrieben. Erst 1853 entwickelte der thüringische Freiherr August von Berlepsch die bewegliche Wabe, die – zusammen mit andern Erfindungen – den Bau von stapelbaren Bienenkästen ermöglichte. Mit der Kastenimkerei konnte der Ertrag gegenüber der Korbimkerei fast verdoppelt werden, was ihr zu einem schnellen Erfolg verhalf. Um die Kästen vor der Witterung zu schützen, begannen die Imker, in ihren Gärten oder am Waldrand Unterstände zu bauen, womit – sehr kurz zusammengefasst – das Bienenhaus erfunden war. Ein frühes Beispiel stand auf dem herrschaftlichen Bauernhof «Grafenscheuren» bei Burgdorf. Die Hofchronik meldet: «1867 Im westlichen Ecken des Gemüsegartens wurde ein Bienenhaus errichtet mit 42 Bienenkasten […].» 1903 wurde es durch einen Neubau ersetzt, der nicht nur über einen Wasseranschluss, sondern auch über elektrisches Licht verfügte.

Die Familie Bracher, die den Hof Grafenscheuren bewirtschaftete, gehörte zur ländlichen Oberschicht des Unteremmentals. Sie verfügte über ausgezeichnete Beziehungen zu Politik und Militär, war interessiert an technischen Neuerungen und beteiligte sich mit Engagement an landwirtschaftlichen Ausstellungen. Bauaufträge pflegte sie an namhafte Architekten zu vergeben, egal, ob es sich um ein Stöckli oder – wie 1920 – um eine Garage für «ein vierplätziges Automobil» handelte. Mitglieder der Familie Bracher bewirtschafteten im 19. Jahrhundert auch einen Hof in Ersigen und einen im Schmittenacher in Oberösch. 1888 hiess die Schmittenacher Bäuerin Katharina Bracher, verheiratete Buri; sie hatte den Hof von ihrem Vater geerbt.

Lack, Schliffglas und Parkett

Der Hof im Schmittenacher liegt abseits des Dorfes und besteht aus zwei stattlichen Bauernhäusern, einem Biedermeierstöckli und einem Speicher aus dem 17. Jahrhundert; wohlgepflegte Gärten ergänzen die ländliche Idylle. 1888 erstellten Katharina Bracher und ihr Ehemann im Garten hinter dem Stöckli ein Bienenhaus für 45 Völker, das der Familie Bracher alle Ehre machte. Der Name des Zimmermeisters ist nicht bekannt. Überliefert ist dagegen, dass ebenfalls 1888 der Unteremmentalische Bienenverein» gegründet wurde. Die Gründungsakten sind nicht erhalten, aber man darf wohl annehmen, dass die Familie Bracher beteiligt war.

Das Bienenhaus steht in der Achse der rückseitigen Eingangstür des Stöcklis. Der sechzehneckige Ständerbau mit achteckigem Dach erinnert mehr an den Gartenpavillon einer grossbürgerlichen Villa als an ein ländliches Bienenhaus. Über der Eingangstür werden das Baudatum und der Zweck genannt: «18 Bienenheim 88». Feine, gesägte Holzelemente und dekorative Fenster- und Türsprossen prägen das Äussere.

Das wirklich Ausserordentliche zeigt sich aber erst im Innern: Parkett, wandhohes, in zarten Grüntönen gestrichenes Täfer, glänzend lackierte Bienenkästen, Ätzglasscheiben und die in Felder unterteilte Decke machen aus dem Bienenhaus einen heiteren kleinen Salon. Es gibt in der Schweiz etliche Bienenhäuser mit aufwändig geschmücktem Äussern, aber solche mit derart anspruchsvollem Interieur sind rar. Bekannt ist ein Objekt mit Baujahr 1892 in Sachseln (OW), das mit einem edlen Buchenparkett ausgestattet ist; «Salonqualität» erreicht es aber nicht.

Reinigen, flicken, ergänzen, streichen

2003 war der Kleinbau im Schmittenacher baufällig; eine Wand war verfault, ein Teil der Ziegel und Fensterscheiben zerbrochen. Abgesehen von der Farbfassung war er jedoch weitgehend original erhalten. Das galt erstaunlicherweise auch für die Kästen, die – im Gegensatz zu den beweglichen von heute – fest eingebaut waren.

Die Denkmalpflege war bereit, bei der Restaurierung des aussergewöhnlichen Bienenhauses beratend und finanziell mitzuwirken, und schlug vor, ausser dem Interieur auch die originalen, sehr gut erhaltenen Kästen zu restaurieren. Eigentümerin Marianne Luder liess sich überzeugen, denn sie betreibt die Imkerei nicht nur aus Interesse an den Bienen, sondern auch aus Freude an deren schönem Heim.

Die Restaurierung wurde so zurückhaltend wie nur möglich durchgeführt. Die vermoderte Wand wurde ersetzt, das Äussere in Braun- und Beigetönen neu gestrichen; ausserdem mussten die Flugbrettchen, einzelne Fensterscheiben und die Holzdekorationen ergänzt werden. Im Innern wurden das Parkett, die Farbfassung und das Täfer gereinigt und die fest montierten Bienenkästen von 1888 geflickt. Sie werden heute zu einem guten Teil wieder genutzt. So ist mit der Restaurierung nicht nur ein ungewöhnliches Bienenhaus erhalten, sondern auch ein Stück Imkereigeschichte lebendig geblieben. Ursula Maurer