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Denkmalpflege des Kantons Bern
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Ein ehemaliges Rebhaus stand fast hundert Jahre lang leer. Bei der Restaurierung 2010/11 spielten materielle Kontinuität und handwerkliche Tradition eine zentrale Rolle. Entstanden ist ein malerisches Wohnhaus.
Tschugg. Aentscherz 2.
Restaurierung und Umbau zum Einfamilienhaus: 2010-2011
Bauherrschaft: Peter Bergmann und Franziska Bergmann, Tschugg
Architekt: Peter Bergmann, bauzeit architekten, Biel
Bauhandwerker: Christian Wüthrich, Tschugg (Schreinermeister); Firma Gehri, Vinelz (Zimmermannsarbeiten); Ruedi Krebs, Twann (Experte für Kalk, Kalkmörtel und traditionelle Handwerkstechniken)
Bauberatung Denkmalpflege: Rolf Weber
Unterschutzstellung: 2007
Beiträge: Kanton (Lotteriefonds/POM)
Stolz steht das Aentscherzhaus mit seinen Steinfassaden und dem mächtigen Dach hoch über dem Dorf. Die Sicht aus seinen Südfenstern ist berauschend: Hinter Bäumen und Matten und dem grünen Rücken des Mont Vully glänzt die verschneite Alpenkette. Das Berner Inselspital erbaute das Haus im Weiler Aentscherz um 1790 für seine Rebleute. Bis vor kurzem gehörte es dem Fürsorgeverein Bethesda, der es für die von ihm getragene Klinik in Tschugg nutzen wollte. Nachdem sich dieser Plan zerschlagen hatte, entschloss sich der Verein zum Verkauf. Neue Besitzer wurden der Bieler Architekt Peter Bergmann und Franziska Bergmann.
Damals umrankte Dornengestrüpp das Haus, die Mau-ern hatten breite Risse, Böden waren durchgebrochen, Balken mit Russ überzogen. Seit den 1920er Jahren hatte niemand mehr in dem charaktervollen Haus gewohnt. «Das Aentscherzhaus ist nicht herrschaftlich, aber edel», meint Peter Bergmann. Kostbare Parkette und Seidentapeten gibt es hier keine, wohl aber kräftige Tannenböden und feinste Kalkverputze.
Das Aentscherzhaus ist ein ländliches Wohnhaus mit Ökonomieteil und zwei rechts und links an den Wohntrakt gefügten Holzschöpfen. Die Fassaden sind aus verputztem Stein. Das Haus wurde einst von zwei Familien bewohnt; die vertikale Unterteilung des Innern lässt sich noch heute an der Südfassade ablesen. Peter Bergmann baute es nun zum Einfamilienhaus um. Dabei fasste er die Räume im Erdgeschoss mittels Mauerdurchbrüchen zu einer grosszügigen Einheit zusammen. Aussen ist die Veränderung nur auf den zweiten Blick erkennbar: Der ostseitige, immer noch zur Lagerung von Brennholz genutzte Schopf erhielt vor dem raumhohen Südfenster einen fixen Laden aus hölzernen Lamellen, der westseitige, der nun zum Wohnbereich gehört, einen verschiebbaren.
Für Bauherrschaft und Denkmalpflege galt zweierlei: Erstens sollten sämtliche Massnahmen zwar sichtbar sein, den Charakter des Hauses aber respektieren. Zweitens waren materielle Kontinuität und handwerkliche Tradition wichtig. Alles, was noch brauchbar war, wurde deshalb nochmals verwendet. Franziska Bergmann bürstete wochenlang angeschwärzte und schmutzige Böden und Decken, bis die ursprüngliche Oberfläche zum Vorschein kam. Aus den Brettern, die nicht mehr tragfähig waren, entstanden neue Küchenmöbel. Was ersetzt werden musste, wurde aus lokalem Material gefertigt, so die Eichenschwellen im Parterre und die Böden aus Apfel- und Birnbaumholz im Obergeschoss. Auch der Kalkboden mit Ziegelschrot in der Küche besteht aus Material, das aus der Nähe stammt. Franziska Bergmann hat ihn unter Anleitung von Ruedi Krebs, einem renommierten Experten für Kalk und traditionelles Handwerk, selbst hergestellt. Sie kalkte zudem sämtliche Wände im Hausinnern. Als in der alten Küche immer wieder Russrückstände durchdrückten, half eine von Ruedi Krebs empfohlene Mischung aus frischem Kuhdung und Kalk. Nach dem Auftragen blieb die Wand endlich weiss – und sie duftete keineswegs nach Dung.
An den Aussenfassaden waren bis zu achtzig Prozent des originalen Verputzes erhalten geblieben. Nur die Fehlstellen sollten deshalb neu verputzt werden. Viele Versuche misslangen: Die Farbe des neuen Putzes wich ständig von der des alten ab. Erst als man 200 Meter hinter dem Haus Sand in der richtigen Färbung entdeckte, gelang es, einen Verputz herzustellen, der dem originalen weitgehend entspricht.
Dass im Aentscherzhaus jemand komfortabel leben könnte, war lange Zeit kaum vorstellbar. Peter und Franziska Bergmann sehen die Restaurierung im Rückblick denn auch als «Abenteuer» mit glücklichem Ausgang. Rolf Weber, der den Umbau als Bauberater der Denkmalpflege begleitete, weiss, worauf es dabei ankommt: «Es braucht entweder eine Bauherrschaft, einen Architekten oder aber Bauhandwerker mit Gespür für historische Bauten und der Bereitschaft, sich auf das Baudenkmal einzulassen.» Beim Aentscherzhaus, so der Bauberater, erfüllten alle drei diese Voraussetzung. Ursula Maurer