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Leben im Baudenkmal als Privileg

Denkmalpflegepreis 2016

Zum siebten Mal verleiht die Denkmalpflege des Kantons Bern ihren Anerkennungspreis für die Restaurierung und Weiterentwicklung eines Baudenkmals. 2016 geht die Auszeichnung an die Besitzerinnen und Besitzer eines Doppel-Einfamilienhauses von 1903. Die beiden Bauherrschaften haben die Interieurs ihrer Hausteile unabhängig voneinander pragmatisch an die eigenen Bedürfnisse angepasst und sorgfältig restauriert. Bewährtes wurde belassen, die Infrastruktur mit wenigen Eingriffen optimiert. Genauso pragmatisch entwickelten die Bauherrschaften für die gemeinsame Fassadenrestaurierung ein Farb- und Materialkonzept, das auch bei zukünftigen Unterhaltsarbeiten den Rahmen vorgeben wird.

  • Harttigs war nicht von Beginn weg klar, ob sie die dunklen Holzverkleidungen, Kassettendecken und Türen holzsichtig belassen wollten oder nicht. Sie entschieden sich für einen teilweisen Anstrich, die gliedernden Elemente blieben holzsichtig (Foto: Stefan Weber, Jens 2015).
  • Das qualitätsvolle Interieur ist in beiden Haushälften weitgehend erhalten geblieben und verleiht den Treppenhäusern und Wohnräumen einen speziellen Charme (Foto: Stefan Weber, Jens 2015).
  • Das im Windfang entdeckte Schablonenfries wurde auf die Wände der neuen Küche und der Toilette übertragen (Foto: Stefan Weber, Jens 2015).
  • Zwei kleine Kastenöfen, die 1905 in Biel hergestellt und später in Brienz eingebaut worden waren, fanden – nicht zuletzt dank eines engagierten Ofenbauers – den Weg zurück nach Biel (Foto: Stefan Weber, Jens 2015).
  • Die grosszügig befensterte Loggia fängt viel Sonnenlicht ein. Die Fenster und Vorfenster stammen aus der Bauzeit und begeistern durch ihre Ästhetik (Foto: Stefan Weber, Jens 2015).
  • Die Qualität zeigt sich im Detail, auch die sorgfältig gepflegten alten Rollläden sind heute zum Teil noch in Gebrauch (Foto: Stefan Weber, Jens 2015).
  • «Im Winter wirkt der geheizte Kachelofen für uns wie eine eigenständige Persönlichkeit, er will achtsam befeuert werden.» (Kuno Cajacob) (Foto: Stefan Weber, Jens 2015).
  • Das Küchenfenster wurde zu einer Tür erweitert, die direkt in den Garten führt. In der modernen Küche fasziniert die Spannung zwischen Alt und Neu (Foto: Stefan Weber, Jens 2015).

Mediendokumentation

Ausstellung in Bern vom 19. Mai bis 17. Juni 2017
Galerie Kornhausforum, Di–Fr 10–19 Uhr, Sa 10–17 Uhr

Ausstellung in Thun vom 21. Juni bis 23. Juli 2016
Konzepthalle 6, Mo 08–18.30 Uhr, Di–Fr 08–24 Uhr, Sa 10–24 Uhr, So 10–15 Uhr

Medienberichte, Radio- und Fernsehsendungen

An bester Aussichtslage entstand über der Bieler Seevorstadt im frühen 20. Jahrhundert an der Stelle des Rebberges ein gehobenes Wohnquartier. Es waren meist gut situierte Bürger, die hier bauten, dazu kamen Architekten und Baugeschäfte, die auf eigene Rechnung Häuser erstellten und verkauften. Eines davon ist das nun prämierte, 1903 erbaute Doppelwohnhaus, ein frühes Werk der beiden aufstrebenden jungen Architekten Walter Bösiger und Marcel Daxelhoffer. Mit der asymmetrischen Konzeption des Doppelwohnhauses reagierten die beiden Architekten  auf die Situation am südost-orientierten Jurahang: Die Loggia der einen Haushälfte und der gerundete Vorbau der anderen Seite fangen für beide Hausteile möglichst viel Sonnenlicht ein.

Überzeugende Ästhetik und bewährte Qualität

Regula und Kuno Cajacob, die Besitzer der westlichen Haushälfte, waren von Beginn weg begeistert vom qualitätsvollen Interieur und dem speziellen Raumgefühl, von der Ästhetik der alten Fenster und dem grossen Kachelofen. Für den Unterhalt erkundigten sie sich bei spezialisierten Handwerkern und bei der Denkmalpflege. Viele der Fenster stammen noch aus der Bauzeit und wurden behutsam nachgerüstet. Die grösste Veränderung erfuhr die Küche, die man komplett erneuerte. Das Küchenfenster wurde zu einer Tür erweitert, die direkt in den Garten führt, ein grosser Gewinn an Wohnqualität.

Pragmatisches Vorgehen bei der Restaurierung

Nina und Sven Harttig wurden die neuen Nachbarn. Architekt Harttig ging die Restaurierung der unterhaltsbedürftigen östlichen Haushälfte pragmatisch an. Er frischte die qualitätsvolle Ausstattung auf und griff nur dort ein, wo es bautechnisch notwendig war, oder wo er mit geringem Substanzverlust eine wesentliche Komfortverbesserung erreichen konnte. Auf Grundlage einer Farbuntersuchung entwickelte man ein Farb- und Materialkonzept für die zeittypisch schweren, dunklen Holzelemente: Die gliedernden Elemente blieben holzsichtig, ansonsten erfolgte ein teilweiser Anstrich. Küche und Badezimmer wurden modern ausgestattet, das Dachgeschoss ausgebaut. 2014 restaurierten die Besitzer gemeinsam die Fassaden und das Dach. Das dafür entwickelte Farb- und Materialkonzept wird auch bei zukünftigen Arbeiten einen zweckmässigen Rahmen vorgeben.

Das Zweifamilienhaus an der Bieler Alpenstrasse wirkt aus Distanz wie eine stattliche Villa, erst die beiden Eingänge und die Abtrennung im Garten lassen die beiden eigenständigen Haushälften erkennen (Foto: Stefan Weber, Jens 2015).

Eine Frage der Verhältnismässigkeit

Auch bezüglich der Energiefrage analysierten die Bauherrschaften ihre Haushälften sorgfältig. Das Dach und die Kellerdecken wurden gedämmt, Erd- und Obergeschoss blieben samt den alten Fenstern nahezu unverändert. Die Frage nach der Verhältnismässigkeit und dem Substanzverlust ist den beiden Bauherrschaften wichtig. Das Haus ist energetisch nicht mit Neubauten zu vergleichen, besticht aber durch seine Ästhetik und die bautechnische Qualität. In einem Baudenkmal zu wohnen, empfinden alle Bewohnerinnen und Bewohner als Bereicherung.